Bozen: Geschichten aus Jahrhunderten, geschrieben auf alten Ansichtskarten
Waltherplatz Bozen – Bühne der Macht, Herz der Stadt
Wer heute über den Waltherplatz spaziert, erlebt eine gepflegte Piazza, elegante Fassaden, Cafés und den Dom in Griffweite.
Doch unter den Pflastersteinen dieses Platzes liegt ein Jahrhundertbuch.
Vom Weinberg zum Mittelpunkt der Stadt
Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts wuchsen hier Reben. Der Platz war kein Platz – sondern Weinland, im Besitz des bayerischen Königs Maximilian I.
1808 verkaufte der Monarch das Grundstück an die Stadt Bozen:
3000 Gulden, unter der Auflage, daraus einen repräsentativen Platz zu errichten.
Die Stadt hielt Wort. Der neue „Maximiliansplatz“ entstand – und sofort wurde er zur Bühne der Macht.
Ein Platz mit vielen Namen und vielen Ansprüchen
Kaum war der Platz fertig, begann sein Namensreigen:
- Maximiliansplatz
- später Johannesplatz, zu Ehren von Erzherzog Johann
- und schließlich Waltherplatz
1889 kam das Denkmal des berühmten Minnesängers Walther von der Vogelweide hinzu – aus rein weißem Laaser Marmor, geschaffen von Heinrich Natter.
Es war nicht nur Kunst, sondern eine politische Botschaft: ein deutsches Gegenstück zum kurz davor errichteten Dante-Denkmal in Trient.
Politik, Ideologie und Verschiebung
Nach dem Ersten Weltkrieg fiel Südtirol an Italien.
Das Walther-Denkmal passte den neuen Machthabern nicht.
1935 wurde es vom Platz entfernt – ein symbolischer Akt.
Walther musste auf den weniger prominenten Roseggerplatz ausweichen.
Der Waltherplatz blieb Bühne: Paraden, Propaganda, Aufmärsche – die Geschichte der Stadt spiegelte sich hier wie in einem Brennglas.
Rückkehr nach Jahrzehnten
Erst
1981 durfte die Statue wieder zurückkehren.
Nach zwei Weltkriegen.
Nach Faschismus und Widerstand.
Nach Autonomieverhandlungen.
Heute ist der Waltherplatz:
- der größte Platz in der Altstadt
- der zentrale Treffpunkt der Stadt
- und das Herz des gesellschaftlichen Lebens
Und mitten darauf steht Walther wieder – ruhig, aufmerksam und mit Blick auf den Dom.
Wer sich Zeit nimmt, erkennt, dass dieser Platz nicht nur ein schöner Ort ist.
Er ist ein Stück Südtiroler Identität.
Ein Platz, der alles gesehen hat – und immer noch da steht.



